Sperrenzange, Detail

Sperrenzange. Foto: Lokschuppen Hochdahl

#GenauGeschaut 7: „Die Fahrkarte bitte.“

Dezember 2024

Diese Aufforderung hörten wir jeden Morgen und jeden Nachmittag. Wir, das waren neben den Werktätigen all die „Fahrschüler“, die Ende der sechziger Jahre / Anfang der siebziger Jahre morgens gegen 7:10 Uhr mit dem einzigen Zug, einem „Schienenbus“, im südniedersächsischen Kreiensen ankamen, um dort zur Schule zu gehen.

Um das Bahnhofsgelände betreten oder verlassen zu können, mussten alle Fahrgäste erst durch die „Sperre“, das Nadelöhr, welches das Bahnhofsgelände vom öffentlichen Bereich abtrennte.
Einzelfahrkarten wurden hier durch den Bahnbeamten mit der „Sperrenzange“ nach der Fahrt entwertet bzw. neue Fahrkarten vor Fahrtantritt freigeschaltet und damit die Berechtigung zum Betreten des Bahnsteigs gegeben. Unsere Fahrkarten wurden nur einmal gelocht, danach nur noch visuell kontrolliert, sonst wären sie am Ende des Monats ganz zerlöchert gewesen.

Sperrenzange

Seinerzeit war dies für uns alle ein tägliches Ritual, über das nicht lange nachgedacht wurde – Fahrkarte hochhalten und weitergehen. Es sei denn, man hatte keine Fahrkarte dabei, d.h. bestenfalls seine Monatskarte zu Hause vergessen oder, schlimmer noch, sogar verloren, was zur damaligen Zeit für die meisten eine wesentliche Belastung des Familienbudgets darstellte und mit Ärger verbunden war.

Es blieb dann nichts anderes übrig, als dem Sperrenbeamten dieses zu beichten und auf ein Einsehen zu hoffen. Ohne Fahrkarte war man „Schwarzfahrer“ und musste sowohl für die Hin- als auch die Rückfahrt vom sowieso knappen Taschengeld zwei Einzelfahrkarten kaufen – eine für die Hin- und eine für die Rückfahrt. Das war für uns Schüler eine enorme Belastung, denn so viel Taschengeld hatte damals in der Regel keiner dabei. Bei einem Verlust kam bei der zweiten Beichte zu Hause der Ärger mit Konsequenzen noch dazu.

Wie erleichtert war der Ertappte dann, wenn er meistens nach der Androhung eines neuen Fahrkartenkaufs und einer anständigen Standpauke durch den Sperrenbeamten schließlich doch die Sperre passieren konnte. Schließlich waren unsere Gesichter über die Jahre auch den Bahnbeamten an der Sperre bekannt. Geschafft – doch nachmittags gab es die gleiche Hürde nochmals zu überwinden. Es sei denn, man fand eine alternative Transportmöglichkeit für den Rückweg.

An diese Verhältnisse wurde ich erinnert, als ich bei uns im Museum „Lokschuppen Hochdahl“ in der ehemaligen Fahrkartenausgabe des alten Bahnhofs Erkrath eine solche „Sperrenzange“ liegen sah.
Mit dieser Zange wird in die Fahrkarten, aber auch in die seinerzeit noch erforderlichen „Bahnsteigkarten“, ein ovales Loch „geknipst“ und das aktuelle Datum sowie ein Hinweis auf die Tageszeit der Kontrolle eingestanzt. Später, bei Kontrollen im Zug, erhielt die Fahrkarte dann zusätzlich durch den Schaffner bzw. Zugführer mit der „Schaffnerzange“ einen Farbaufdruck mit weiteren diversen Kontrollmerkmalen wie Zugnummer, Kontrollzangennummer u.a.

Das Prinzip der Sperren wurde bei der Deutschen Bundesbahn Ende der 1960er Jahre sukzessive bis zum Sommer 1974 abgeschafft. Voraussetzung für die Abschaffung war für die DB u. a. die Genehmigung eines Fahrpreiszuschlags von 20 D-Mark für Schwarzfahrer. Heute ist eine solche Zugangsbehinderung für die Jüngeren kaum vorstellbar, wo doch in Deutschland überall freier Zugang zu allen Bahnhöfen, Straßenbahnhaltepunkten und auch U-Bahn-Stationen besteht.

Geschuldet war das Prinzip der Fahrkartenkontrolle vor Fahrantritt an der Sperre u. a. dem Umstand, dass durch die Konstruktion bei älteren Waggons der gefahrlose Übergang zwischen den einzelnen Wagen für die Schaffner während der Fahrt oftmals nur schwer möglich war. Bei den alten Abteilwagen z. B. mussten sich die Schaffner teilweise außen am Zug auf den Trittbrettern entlanghangeln, was mitunter schwere Unfälle zur Folge hatte.

Heutige Buchungs- und Kontrollsysteme sowie gesellschaftliche Veränderungen haben die Sperre und den Einsatz der Sperrenzange überflüssig gemacht.

Wolfgang Weiberg, Museum Lokschuppen Hochdahl

Der zu einer Lampe umgebaute Filmprojektor in Raum drei der Sonderausstellung „Silberfieber. Der Tarnowitzer Bergbau – das UNESCO-Welterbe in Oberschlesien“ im Oberschlesischen Landesmuseum. Foto: Anna Appelhoff

#GenauGeschaut 6: Vom Filmprojektor zur Leuchte

November 2024

Seit nun über einem Jahr bin ich im Oberschlesischen Landesmuseum für die Bildung und Vermittlung verantwortlich. Im Rahmen meiner Führungen durchs Museum ist mir aufgefallen, dass unsere Besucher und Besucherinnen nach einem ganz besonderen Objekt in unserem Haus fragen. Es steht in jeder Ausstellung woanders, doch stets ist es in unseren Räumlichkeiten wiederzufinden.

Es handelt sich um einen alten Filmprojektor, den ich als eine gelungene und interessante Ergänzung zu unserem Inventar empfinde – ein echter Hingucker also! Diesen möchte ich nun gerne vorstellen.

Im Rahmen der Ausstellung „Bewegte Leben. Oberschlesische Persönlichkeiten“, welche am 03.07.2021 im Oberschlesischen Landesmuseum eröffnet worden ist, wollte man das Design der Ausstellung um ein dekoratives Objekt ergänzen. Man entschied sich, einen alten Filmprojektor zu kaufen, der passend zu den berühmten Film- und Kinopersönlichkeiten wie Horst Bienek, Willy Fritsch oder Hanna Schygulla, den Museumsraum verschönern sollte. In Einzelteilen geliefert, bestand also für die Mitarbeiter nun die Aufgabe, diesen Koloss zum Laufen zu bringen. Unser Mitarbeiter Jan Sindelar stellte sich dieser Herausforderung und baute Schritt für Schritt den Projektor zusammen.

Leider nicht mehr funktionsfähig, entstand mit viel Kreativität und Einsatz ein neuer Beleuchtungskörper, der von da an immer wieder in diversen Ausstellungen einen Platz bekommt. Interessant ist das Innenleben des Projektors, das immer noch begutachtet werden kann. In den Räumlichkeiten des Museums bekam der alte Filmprojektor ein zweites Leben und lässt nun Bestandteile der Ausstellungen im neuen Licht erstrahlen.

Immer wieder werden Mitarbeitende von den Besuchern auf dieses Schmuckstück angesprochen und können die spannende „Auferstehungsgeschichte“ dieses ausrangierten Gerätes erzählen. Besonders schön ist es, dass man damit zeigen kann, wie alten Dingen ein neues Leben eingehaucht werden kann oder sogar ein neuer Verwendungszweck ein Objekt zum wertvollen Inventar macht.

Anna Appelhoff, Oberschlesisches Landesmuseum

David Uessem, abgeschminkt – removed, Öl auf Leinwand, 2009, Inv.-Nr. KS172. © Museum und Forum Schloss Homburg

#GenauGeschaut 5: Die Porträtsammlung auf Schloss Homburg

Oktober 2024

Was sagt das Aussehen – oder ein Bild davon – über einen Menschen? Kann das Bild einer Person dem Betrachter etwas über seine Eigenschaften, seinen Charakter und seine Identität erzählen – und wenn ja, wie? Welche Rolle hat dabei der inszenierende Künstler oder die Künstlerin?

Das Porträt ist allein schon aufgrund dieser Fragestellungen für mich einer der spannendsten kunsthistorischen Themenkomplexe. Seit Jahrhunderten fertigen Menschen Porträts an und halten von Staatsoberhäuptern bis zu eigenen Familienangehörigen ihre Mitmenschen im Bild fest. Dabei war es oft die Aufgabe des Porträts, die dargestellten Personen trotz physischer Abwesenheit, anwesend erscheinen lassen – sie stellvertretend durch ihr Bildnis zu vergegenwärtigen, sie zu repräsentieren oder an sie zu erinnern.

Die Sammlung des Museum und Forum Schloss Homburg umfasst eine Vielzahl an Porträts, die von bereits verstorbenen, eher unbekannten Mitmenschen, bis hin zu überregional bekannten Zeitgenossen reicht. Eine besondere Künstlerin der Sammlung ist die aus Gummersbach stammende Malerin Adeline Jäger (geb. 1809 als Adeline Heuser, gest. 1897 in Oberkassel). In unserer Sammlung befinden sich viele Gemälde der Künstlerin, die oft Angehörige und Personen aus ihrem privaten Umfeld porträtierte. Adeline Jäger ist jedoch nicht nur für ihr Talent bemerkenswert, sondern auch für ihren mutigen Werdegang.

Für Frauen war es zu Adeline Jägers Lebzeiten im 19. Jahrhundert nicht selbstverständlich, überhaupt als Künstlerin arbeiten zu können – Künstler waren damals vor allem Männer. Doch die talentierte Gummersbacherin setzte sich durch, studierte als eine von wenigen Frauen damals an der renommierten Düsseldorfer Kunstakademie und wurde eine angesehene Künstlerin. Fünf Werke der Malerin sind aktuell auf Schloss Homburg ausgestellt.

Ausstellungsansicht der Sammlungspräsentation im Museum und Forum Schloss Homburg mit Werken der Gummersbacher Malerin Adeline Jäger, Inv.-Nr. 4700, Inv.-Nr. 5076, Inv.-Nr. 6034a, Inv.-Nr. 2019/31, Inv.-Nr. 2019/32. © Museum und Forum Schloss Homburg, Foto: Oliver Kolken

In direkter Nachbarschaft präsentieren wir derzeit ein Werk, das eine spannende Position in der Porträtkunst darstellt: Das 2009 entstandene Ölbild „abgeschminkt – removed“ des Künstlers David Uessem (geb. 1981 in Engelskirchen). Wie Uessem reflektieren vor allem im 20. und 21. Jahrhundert viele Künstlerinnen und Künstler in ihren Werken die Möglichkeiten und Grenzen des Porträts. Obwohl deutlich ein menschliches Gesicht auf Uessems Gemälde dargestellt ist, entzieht es sich dem Betrachter – fast so, als würden wir die letzten Momente erleben, bevor es sich in nichts als Farbe auflöst. Oder löst sich gar nicht das Gesicht auf, sondern nur die es verfälschende und titelgebende Schminke, unter der das wahre Gesicht verborgen liegt?

Gegenüber Jägers Porträts, die die Personen so naturgetreu wie möglich darstellen zu wollen scheinen, erhalten wir von dem Gesicht in Uessems Werk nur eine Ahnung, es entzieht sich dem Betrachter, als ob es fragen würde, wie viel wir glauben sehen zu müssen, um eine Aussage über jemanden machen zu können.

Janina Leferink-Augustat, Museum und Forum Schloss Homburg

Carolin Gilgenbach im Garten Ronsdorf. Foto: C. Gilgenbach, LVR-Freilichtmuseum Lindlar

#GenauGeschaut 4: Garten Thiemann aus Ronsdorf

September 2024

Mein Name ist Carolin Gilgenbach und ich bin wissenschaftliche Volontärin am LVR-Freilichtmuseum Lindlar. Ich arbeite im Fachbereich Ökologie und habe eine besondere Vorliebe für die Gärten, Wildkräuter, Äcker und alles was darauf krabbelt und leben kann in unserem Gelände. Als Agrarbiologin schätze ich die biologische Vielfalt, die wir im Museum versuchen zu bewahren.

Doch wie sah es wirklich früher in bergischen Gärten aus? Und waren sie diverser als heute?

Dafür habe ich ein ganz besonderes Objekt des Monats gewählt: den Garten aus Wuppertal-Ronsdorf. Der Hausgarten gehörte zum Bandweberhaus der Familie Thiemann und konnte durch eine Bestandsaufnahme vor Ort sowie Zeitzeuginnen- und Zeitzeugenberichte detailliert dokumentiert werden. So wurde der Garten entsprechend der Originalsituation zum Haus und in ursprünglicher Größe im Jahr 1991 im LVR-Freilichtmuseum Lindlar wiederaufgebaut. Insgesamt lässt sich der Garten von Familie Thiemann in drei Bereiche unterteilen: einen Gemüsegarten, eine Streuobstwiese und zahlreiche Zierelemente.

Im Gemüsegarten wird Kohl in unterschiedlichen Farben und Formen angebaut. Hier wuchs was Familie Thiemann zum Leben brauchte, darunter Weiß- und Rotkohl, Grün- und Rosenkohl sowie Blumenkohl und Kohlrabi. Ebenso unterschiedliche Bohnen, Möhren, Kartoffeln und Zwiebeln. In den Gemüsebeeten finden sich zusätzlich Beerenobstgehölze wie rote und schwarze Johannisbeere, welche diverse Insekten anlocken.

Die Streuobstwiese oder Obstbaumhof beinhaltet verschiedene alte Apfel- und Birnen- sowie einer Kirsch- und zwei Pflaumensorten, darunter die Hauszwetsche. Hier finden viele Pflanzen- und Tierarten ein Zuhause. Am Stamm der Bäume können Käfer, Holzwespen und Ameisen wohnen und in Baumhöhlen beispielsweise der Grünspecht. In den Baumkronen haben dagegen der Stieglitz und die Goldammer eine Möglichkeit zu brüten. Greifvögel wie Mäusebussard und Turmfalke haben die Möglichkeit sich dort abzusetzen für die Jagd.

Unter den Zierelementen sticht die alte Rose (Rosa centifolia = hunderblättrige) in Mitten der Gemüsebeete heraus, die von drei kleineren Kräuter- und einem Blumenbeet umringt ist. Alle Beete werden zusätzlich von Buchsbaum umrandet, was auf den bescheidenen Wohlstand der Familie während der Jahrhundertwende hinweist. Diese Elemente heben den Garten von anderen herkömmlichen Bauerngärten ab. Weitere Zierpflanzen sind Gänseblümchen, Schneeglöckchen und Narzissen.

Der gelb blühende Goldlack im Garten ist dagegen in NRW stark gefährdet und gilt laut der Roten Liste vom Jahr 2020 im Bergischen Land als verschollen. Ebenso sind die Pfirsichblättrige Glockenblume und die Berg-Flockenblume als nicht vorkommend bzw. keine gesicherten Nachweise im Bergischen Land gelistet, allerdings in ganz NRW nicht bedroht. Dennoch sind sie im Garten Thiemann im LVR-Freilichtmuseum vorhanden.

Goldlack lockt beispielsweise Wildbienen wie die Dunkelgrüne Schmalbiene (Lasioglossum morio) an. Diese zieht wiederum Blutbienen an, welche ihren Nachwuchs direkt in die Nester von Schmalbienen legen und so Brutfürsorge betreiben. Deshalb zählt man sie zu den sogenannten Kuckucksbienen. Die Pfirsichblättrige Glockenblume bietet Pollen für Wildbienen wie die Glockenblumen-Scherenbienen (Chelostoma rapunculi und Chelostoma campanularum) welche – wie der Name verrät – ausschließlich Glockenblumengewächse anfliegen. Die Berg-Flockenblume hält dagegen viel Nektar und Pollen für viele Fluginsekten bereit, unter anderem für mehrere Furchenbienenarten, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Der rekonstruierte Garten Thiemann kommt relativ nah an sein Original heran. Natürlich hat sich die Natur in dieser Zeit doch sehr gewandelt, auch ein ökologisches Museum bleibt nicht vom Insektenschwund und Klimawandel verschont. Aber wir können alte Pflanzensorten in Gärten wie diesen bewahren und einen kleinen Teil der Diversität und Vielfalt schützen. Das geben wir auch so an unsere Besucherinnen und Besucher weiter. Insgesamt bildet der Garten Thiemann aber einen diversen Hausgarten mit zahlreichen Blühpflanzen für kleine tierische Mitbewohner und einen vielseitigen Lebensraum insbesondere auch für bedrohte und spezialisierte Arten durch die vorhandene Streuobstwiese.

Carolin Gilgenbach, LVR-Freilichtmuseum Lindlar

Lehm-Brunnen von oben mit Kindern

#GenauGeschaut 3: Der Lehm-Brunnen in der Ausstellung „Klimaglück“

August 2024

Mein Name ist Fine Haiduck, ich bin Mitarbeiterin des Projekts „Mehr Mut für Alle“ am NaturGut Ophoven und plane mit meinen beiden Kolleginnen eine neue Mitmach-Ausstellung für Kinder zum Thema Mut und Klimaschutz.

In unserer aktuellen Ausstellung „KlimaGlück“, gefällt mir besonders der von einer Keramikerin extra angefertigte Lehm-Brunnen im Erlebnisraum „Afrika“. Er ist 80 cm hoch und hat einen Durchmesser von 80 cm.

Am Brunnen wird spielerisch und erlebnisorientiert erfahrbar gemacht, dass der Tschadsee in West- und Zentralafrika von Jahr zu Jahr, wegen der Folgen des Klimawandels, immer kleiner wird. Der Brunnen steht hier symbolisch für die Wasserknappheit vor Ort und den immer weiter werdenden Weg für die Bewohner*innen, um an Trinkwasser zu gelangen. Wie beschwerlich der Transport von Kanistern auf dem Kopf ist, können die Kinder hier selber ausprobieren.

Der Tschadsee ist einer der größten Seen der Welt und hat eine sehr große Bedeutung für Menschen, Fische und Vögel. Er war ein wichtiger Kreuzungspunkt von west- und zentralafrikanischen Handelsrouten, er ist der Lebensraum zahlreicher Tiere und bildet einen wichtigen Rastplatz für Millionen Zugvögel auf dem Weg von Süd- und Zentralafrika nach Europa.

Doch warum schrumpft der Tschadsee von Jahr zu Jahr? Ein wichtiger Faktor für das Austrocknen des Tschadsees ist die verstärkte Nutzung des Seewassers und der Zuflüsse für die Trinkwasserversorgung und die Bewässerung von Baumwollfeldern für die Herstellung von Kleidung. Auch der Anstieg der Bevölkerung um den See hat zur Ressourcenübernutzung beigetragen. Ein weiterer Grund sind der Klimawandel bzw. die steigenden Temperaturen, die die natürlichen Wasserquellen wie den Victoriasee, den Tschadsee und Teile des Nils austrocknen. Die höheren Temperaturen haben zu einer verstärkten Verdunstung des Tschadsees geführt und auch die Wassermenge der Zuflüsse des Sees ist zurückgegangen.

Am Beispiel des Tschadsees, aber auch an den aktuellen Überflutungen bei uns in Deutschland sieht man, wie unterschiedlich die Auswirkungen des Klimawandels sind. Auch wenn die Klimaproblematik in der aktuellen Problemfülle fast nebenrangig erscheinen mag, bleibt es überaus wichtig, seinen Mut nicht zu verlieren.

Mein Appell: Bleibt am Ball und versucht, euren ökologischen Handabdruck zu vergrößern. Denn dieser soll im Gegensatz zum ökologischen Fußabdruck wachsen und groß werden. Um seinen ökologischen Handabdruck zu vergrößern, haben wir ein paar Tipps gesammelt: Auf dem Flohmarkt oder im Second-Hand Laden Klamotten einkaufen, nur einmal pro Woche Fleisch essen, öfter mal die Bahn oder das Fahrrad nehmen, eine Wildblumenwiese sähen oder sich ehrenamtlich engagieren.

Fine Haiduck, NaturGut Ophoven

Der Autor vor dem großen Zahnrad

Georg Jürgens, Schmied, am Zahnrad nach dem Aufziehen der Reifen auf die Welle. Foto: Arbeitsdokumentation Manuelskotten

#GenauGeschaut 2: Die Anlage rund um das Wasserrad am Manuelskotten

Juli 2024

Damals erhielt ich von meinem Freund und Zimmermann Reiner einen Anruf. Ich sei doch Schmied, ob ich nicht Ringe auf eine Welle aufziehen könne. Das war bei meinem Großvater als Huf- und Wagenschmied noch Tagesgeschäft…

Wir entfachten ein entsprechend großes Kohlefeuer vor Ort mitsamt Ventilator als Luftzufuhr, um die Ringe auf Temperatur zu bekommen. Reiner legte etwa 25 Meter im Laufschritt durch die Halle zurück, jeweils mit einem glühenden Ring in der Zange, und reichte mir diesen in die Grube herunter. Von Zange zu Zange. Ich steckte die Ringe auf die Welle, brachte sie mit leichten Hammerschlägen in Position und wir kühlten das Material mittels Wassereimer und Gartenschlauch herunter. Das Material schrumpfte zusammen. Alles passt und sitzt fest.

Für mich war dies meine erste Tätigkeit an der Anlage des Manuelskotten. Inzwischen haben wir nach Jahren, auf der inzwischen neuen Welle, das Lager wieder neu verkeilt und die Ringe aufgezogen. Holz und Feuchtigkeit führen zum Verfall. Der Manuelskotten ist halt im Betrieb und kein sorgfältig konserviertes Exponat.

Reiner Bigge, Zimmermann, mit dem neu gefertigten Schieber, der die Wasserzufuhr steuert. Foto: Arbeitsdokumentation Manuelskotten

Seit damals bin ich im Verein und immer wieder am Manuelskotten tätig. Es folgten zwar auch Arbeiten als Grafiker und das Thema Digitalisierung steht auch auf dem Plan. Aber die Arbeit an der technischen Anlage, dem lebendigen Erbe und Herz des Schleifkottens, fordert und begeistert mich immer wieder.

Dabei ist es – #genaugeschaut – eigentlich gar nicht klar, was Landschaft, Gebäude und Maschine ist. Der Teich ist natürlich auch ein Teil des Naherholungsgebietes und ein ökologisch wichtiger Teil des Kaltenbachtals. Aber hier wird vor allem Wasser gesammelt, um mit dem Wasserrad Schleifsteine anzutreiben.

Hens Jöcker, Aufzugbauer, am Wasserrad. Foto: Arbeitsdokumentation Manuelskotten

Viele technische Elemente muten eher als Teil des Gebäudes an, denn diese sind vorwiegend mit Zimmermannstechniken aus Holz gefertigt. Die verwendeten Metallelemente erinnern dann eher an den Wagenbau vor Erfindung des Automobils. Typische Maschinenteile, wie gegossene Zahnräder und ein Fliekraftregler, halten gerade erst Einzug.

Aber auch so leitete der 1755 erstmals urkundlich erwähnte Manuelskotten mit seinesgleichen die Industrialisierung ein. Seitdem wurde die Anlage immer wieder weiterentwickelt und optimiert. Und repariert.

Der Eiskasten vor und nach der Rekonstruktion: Mit neuem Hauptschieber, hier teilweise eingesetzter Trennwand, restaurierte Regulierklappe des Fliekraftreglers und den neuen Rahmenelementen, die die Technik stützen und abdichten. Foto: Arbeitsdokumentation Manuelskotten

Inzwischen haben wir als Team bestimmt schon jedes Element einmal gewartet, instand gesetzt oder sogar komplett erneuert – für die tägliche Arbeit des Schleifers, zur Freude der Besucher*innen und als technisches und bauliches Zeitdokument. Immer dem Prinzip „Schleifen mit Wasserkraft“ auf der Spur.

Autor: Georg Jürgens, Manuelskotten, Wuppertal

Dr. Yvonne Gönster schaut in die Vitrine mit dem Kammbartschlüssel in der Ausstellung.

Dr. Yvonne Gönster und der Kammbartschlüssel in der Ausstellung. Foto: DSBM/Emmanuel Giagtzoglou

#GenauGeschaut 1: Der französische Kammbartschlüssel – Die „Mona Lisa“ im Deutschen Schloss- und Beschlägemuseum

Juni 2024

Mein Name ist Yvonne Gönster und ich leite das Deutsche Schloss- und Beschlägemuseum in Velbert. Unsere Sammlung umfasst rund 17.000 Schlösser, Schlüssel und Beschläge. Ich habe mich inhaltlich bereits mit vielen Objekten auseinandergesetzt und bin immer wieder fasziniert über die erstaunlichen Geschichten, die hinter unseren Exponaten stecken. Eines meiner Lieblings-Objekte ist der sogenannte französische Kammbartschlüssel, der wegen seines Aussehens manchmal auch Laternengriffschlüssel genannt wird. Er wurde um 1630 in Frankreich hergestellt und ist 16,2 cm hoch.

Ein kunstvoll gestalteter Schlüssel in Großaufnahme
Der französische Kammbartschlüssel aus dem Deutschen Schloss- und Beschlägemuseum (Foto: DSBM/Lange Photography, Andreas Lange)

Schaut man sich den Bart des Schlüssels genauer an, erkennt man 21 kleine, kreisrunde Durchbrüche, die aufwendig eingelassen wurden. Daran schließt sich der eigentliche Bart mit seinen 29 hauchdünnen Lamellen an, die jeweils eine Stärke von lediglich 0,8 mm aufweisen und die wie ein Kamm dicht nebeneinander angeordnet sind. Der kurze Halm des Schlüssels wird durch ein Kapitell aus drei horizontalen Platten abgeschlossen. Darüber befindet sich eine beidseitig sichtbare Rosette mit zwei aufgesetzten Löwenmasken, die von einem durchbrochenen Aufsatz in Laternenform gekrönt wird.

Großaufnahme mit Details des Schlüsselbarts mit den Durchbrüchen und Lamellen
Detail des Schlüsselbarts mit den Durchbrüchen und Lamellen (Foto: DSBM/Lange Photography, Andreas Lange)

Mich begeistert der Schlüssel nicht nur wegen seiner feinen Ausarbeitung und detaillierten Verzierung, sondern vor allem wegen seiner Herstellung. Denn hier wurde die Eisenschnitttechnik angewendet. Bei diesem anspruchsvollem und sehr zeitaufwendigem Verfahren wird zunächst mit einem Gravierstichel eine Umrisszeichnung auf dem Werkstück erstellt. Danach wird das Material bearbeitet, indem kleine Späne mit Säge, Meisel, Feile, Gravierstichel und Bohrer vom kalten Eisen abgehoben werden.

Der vorliegende Schlüssel besteht aus drei Einzelteilen, die mit dieser Technik hergestellt wurden: (1) der Bart bis zur unteren Platte des Kapitells, (2) das restliche Kapitell bis zur Rosette und (3) die Laterne. Anschließend wurden die Teile zusammengesetzt. Die Eisenschnitttechnik ist seit der Antike bekannt, doch wurden Durchbrüche sowie vollplastische Objekte erst ab dem 16. Jahrhundert auf diese Weise hergestellt. Bei den hauchdünnen Lamellen des vorliegenden Schlüssels gab es wahrscheinlich zahlreiche Fehlversuche. Daher hat die Herstellung unseres Schlüssels vermutlich ein Jahr gedauert – eine beachtliche Leistung, wie ich finde. Der prachtvolle und kostbare Schlüssel ist daher für mich die „Mona Lisa“ unserer Museumssammlung.

Großaufnahme eines Schlüssels
Auch dieser Schlüssel mit der Darstellung eines Greifen wurde mit der Eisenschnitttechnik hergestellt. Es handelt sich allerdings nicht um einen französischen Kammbartschlüssel, da der Bart anders ausgearbeitet wurde und die Laterne fehlt (Foto: DSBM / Lange Photography, Andreas Lange).

Kammbartschlüssel wurden zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert gefertigt und unterscheiden sich lediglich in der Ausführung ihrer einzelnen Elemente, also zum Beispiel in der Ausgestaltung der Laterne. Das Aussehen der Schlüssel (samt der zugehörigen Schlösser) war exakt vorgeschrieben, weil diese in Frankreich als Meisterstücke gefertigt wurden. Dabei legten Statuten des Schlosserhandwerks aus dem Jahre 1411 die Vorgaben fest, über die zur Bewahrung der Qualitätsstandards streng gewacht wurde. Eine Verordnung von 1699 milderte schließlich die strengen Statuten und lies auch andere Meisterstücke zu – dies war gewiss eine Erleichterung für die angehenden Meister, denn die Herstellung eines solchen Schlüssels war sehr schwierig.
Aus all diesen Gründen wurde mir während der Erarbeitung eines neuen Museumskonzepts recht schnell klar: Unsere „Mona Lisa“ ist so wichtig, dass „sie“ eine eigene Vitrine in der neuen Dauerausstellung bekommen muss!

Dr. Yvonne Gönster, Deutsches Schloss- und Beschlägemuseum Velbert

Kind macht Luftsprung durch einen großen Ring

Der „Ort der guten Nachrichten“

Oktober 2023

Mit ihrer Kraft hat die Naturgewalt Wasser als Transportweg oder Antriebsquelle tiefgreifende Auswirkungen auf die Geschichte und Entwicklung des Bergischen Landes. Davon hat das letzte Objekt des Monats erzählt. Das Wasser in unserer Region ist aber nicht nur ein Werkzeug der Menschen, sondern auch eine manchmal unaufhaltbare Kraft.

Als im Juli 2021 das NaturGut Ophoven von einem Jahrhundert-Hochwasser getroffen wurde, zeigten sich die Auswirkungen dieser Naturgewalt in ungeheurem Ausmaß. Im Zuge des fortschreitenden Klimawandels kann man davon ausgehen, dass Extremwetter-Ereignisse in der Zukunft nicht nur im Bergischen Land vermehrt vorkommen.

Die negativen Schlagzeilen der letzten Monate sind besorgniserregend und in Teilen der Bevölkerung macht sich Hoffnungslosigkeit oder auch Angst breit. Viele fragen sich: Reichen unsere Bemühungen noch aus oder ist alles schon zu spät?

Unser Objekt des Monats möchte genau hier ansetzen und dagegenwirken. Der „Ort der guten Nachrichten“ ist eine neue Installation im Klimaerlebnis-Park des NaturGut Ophovens. Im Zuge des Projektes „BildungKlima-plus-56“ wurde diese konzipiert, umgesetzt und auf dem Gelände neu aufgebaut.

Auf dem Weg hin zu diesem Objekt finden unsere Gäste mehrere runde Schilder mit guten Nachrichten, die unser Klima betreffen. Diese Nachrichten lenken den Blick auf die positiven Errungenschaften der Klimaschutzbewegung. Sie machen Hoffnung und Mut, dass es sich lohnt, sich für die Natur und das Klima einzusetzen und dass bereits vieles auf den Weg gebracht wurde.

Dort liest man zum Beispiel:

Meine Kinder kennen später nur noch glückliche Kühe und in den Ställen herrscht Feierlaune. Esra, 12 Jahre
(Die Fleischproduktion in Deutschland ist 2022 das sechste Jahr in Folge zurückgegangen. So stark wie nie zuvor. Es wurde rund acht Prozent weniger Fleisch als 2021 produziert.)

Rauchende Schornsteine kennen bald nur noch Oma und Opa. Denn Energie wird nur noch aus erneuerbaren Energien gewonnen. Leo, 13 Jahre
(Wir bewegen uns hier immer mehr auf diese Zukunft zu. Fast ein Viertel des Stroms der EU wurde 2022 durch erneuerbare Energien gewonnen. Deutschland erzielte mit fast 43% einen neuen Rekord.)

In meiner Zukunft finden wir auf der ganzen Welt überall Menschen, die an andere denken und sich um unsere Erde kümmern. Niemand ist mehr traurig und allein. David, 11 Jahre
(Bereits heute gibt es Menschen, die mit guten und kreativen Ideen die Welt ein wenig besser machen wollen. Zum Beispiel strickte in Australien ein 109-jähriger Mann Wollpullis für von einem Ölleck betroffene Pinguine. Dank dieser verschlucken sie nicht das giftige Öl, wenn sie sich putzen.)

Folgt man den guten Nachrichten, erreicht man die Hauptinstallation, den Blickfang: Eine 2,50 Meter hohe, zweidimensionale Erdkugel. Wenn man durch diese Installation hindurch schaut, werden die Gebäude des historischen Gutshofs des NaturGuts Ophoven „eingerahmt“ – ein Ort, an dem Menschen in jedem Alter etwas über die Umwelt, unser Klima und dessen Schutz lernen. Der „Ort der guten Nachrichten“ verbindet das NaturGut Ophoven und die Besucher mit der Welt.

„Nimm dir Zeit für einen Luftsprung! Gemeinsam können wir viel bewegen!“ lesen unsere Gäste auf dem Objekt. Es soll die Betrachtenden animieren innezuhalten und sich auf die schönen Dinge zu besinnen und auf diese Weise eine positive und aktive Stellung im Klimaschutz zu beziehen.

Tamara Dey, NaturGut Ophoven

Mit dem “Ort der guten Nachrichten“ geht unsere Geschichten-Reise quer durch das Bergische Land in eine kleine Pause. Im Netzwerk beenden wir gerade unser dritte Runde der Zusammenarbeit. Wir hoffen nun unsererseits auf gute (Förder-)Nachrichten, damit das Netzwerk in der erprobten Form auch zukünftig weiter wachsen und aktiv bleiben kann.

Wenden eines halbfertigen Rundlings, 1920er Jahre. Carl Picard Natursteinwerk, Schopp-Krickenbach

Wenden eines halbfertigen Rundlings, 1920er Jahre. Carl Picard Natursteinwerk, Schopp-Krickenbach

Schleifsteine

September 2023

Ohne den Transport der Produktionsgüter mit der Bahn, von denen unsere letzten beiden Objekte des Monats berichteten, wäre eine weltweite Expansion der bergischen Werkzeugindustrie nicht möglich gewesen. Auch wenn der „Kiepenkerl“ zu Fuß die Kundschaft in der Region und dabei auch entlegene Orte erreichte und Pferdefuhrwerke lange eine Rolle spielten.

Die neuen Verkehrswege erleichterten den Absatz der vielfältigen bergischen Schmiedeerzeugnisse. Ebenso konnten die für die Produktion nötigen Rohstoffe und Erzeugnisse wie Kohle und Stahl zu den Werkstätten transportiert werden. Während sich das Automobil auf kürzeren Wegen durchsetzte, war die Eisenbahn für lange Strecken das maßgebliche, revolutionäre Transportmittel.

An den Schleifkotten im Bergischen Land schliff man früher an Schleifsteinen mit dem beachtlichen Durchmesser von bis zu drei Metern. Diese bis zu drei Tonnen schweren Kolosse wurde bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts aus Sandstein geschlagen.

Die Kohlfurther Firma Ernst Friedrich Tesche besaß Steinbrüche in der Eifel und in der Pfalz. Mit ihren Natursteinen versorgte sie die heimische Industrie, auch den Manuelskotten.

Mit dem Pferdefuhrwerk wurden die tonnenschweren Kolosse bis zur Mosel und von dort mit Lastkähnen auf dem Wasserwege nach Leverkusen-Hitdorf, dem Hafen für das Bergische Land, transportiert. Ab 1870 kam auch die Bahn zum Einsatz.

Mit der Eisenbahn konnten die Schleifsteine nun in großen Stückzahlen bequem herbeigeschafft werden.
Allein in Remscheid benötigte man um 1900 herum an die 2.000 Schleifsteine jährlich! Daher wurden ganze Güterzugladungen ins Bergische geliefert.

Am Zug wurden Rungen- oder Plateauwagen eingesetzt, die ein seitliches Überstehen der Ladung erlaubten. Die Spurbreite der Bahn definierte die Schleifsteine auf maximal drei Meter und vier Zentimeter. Am Manuelskotten wurden jedoch nur Steine mit einer Breite von zwei Metern und achtzig Zentimetern eingesetzt, da größere nicht durch die Tür passten.

Zur Ladungssicherung wurden Rundhölzer in die Achslöcher gesteckt, um ein Verrutschen der Ladung zu Vermeiden. Abgepolstert wurde die Ladung mit Tannenreisig, der auch während des Hängens der Steine genutzt wurde.
Der Transport zu den Bahnhöfen und zu den Werkstätten geschah zunächst mit Pferdefuhrwerken, später dann mit kleineren Lastwagen.

Auch wenn Sandsteine aus gesundheitlichen Gründen schon in den 1930er Jahren verboten wurden, wurden diese bis in die 1970er Jahren noch waggonweise mit der Bahn angeliefert.

Die heute genutzten Kunststeine besitzen – im Vergleich zu den Sandsteinen – eine gut fünfmal höhere Schleifkraft. Außerdem lassen sich Form und Zusammensetzung für den jeweiligen Anwendungsbereich individuell anpassen. An den neueren Schleifmaschinen werden zunehmend kleinere Steine und Schleifbänder eingesetzt. Somit spielt der Einsatz von Sandsteinen inzwischen keine Rolle mehr.

Die Kohlfurther Firma Tesche spezialisierte sich ab den 1930er Jahren auf die Herstellung von Kunststeinen. Seit 2006 gehört die Firma Tesche zur Wuppertaler Clauberg Gruppe, die nach wie vor die Steine für den Manuelskotten liefert – eine Lieferstrecke von nicht einmal zehn Kilometer.

Heute dienen alte, abgenutzte Sandsteine noch am Teich und Bachlauf des Manuelskottens als Befestigungsmaterial und Hochwasserschutz. In der Werkstatt können Sie die großen, von Wasserkraft angetriebenen Schleifsteine in Aktion sehen.

Georg Jürgens, www.manuelskotten.de

Ein historischer Film von 1971 zeigt die Schleifsteinherstellung und den Transport in das Bergische Land, zu finden auf dem Youtube-Kanale von „Alltagskulturen im Rheinland“: Herstellen eines Schleifsteins in der Sandsteingrube Chr. Hort – YouTube.


Nicht nur am Manuelskotten spielte und spielt das Wasser des Teiches und die genutzte Wasserkraft eine große Rolle. Über den Umgang mit dieser Naturgewalt erzählt unser nächstes Objekt des Monats.

Kofferwagen, gepackt mit vielen verschiedenen Koffern

Kofferwagen, Eisenbahn- und Heimatmuseum Erkrath-Hochdahl, Foto: Peter-Achim Segler

Kofferwagen

August 2023

Wenn die Händler aus Remscheid ihre Werkzeuge in der ganzen Welt anboten (siehe unser Objekt des Monats Juli 2023), verreisten sie mit einem Koffer. Und davon gibt es im Eisenbahn- und Heimatmuseum Erkrath-Hochdahl eine ganze Menge!

Die eigenen Sachen gut verpackt zu wissen: diesen Wunsch gab es schon seit ewigen Zeiten. War es die Reise mit der Postkutsche oder dem Planwagen: es wurden Körbe, Truhen oder Kisten, manchmal auch Leinensäcke benutzt.

Irgendwann kam mutmaßlich ein Stellmacher auf die Idee, eine kofferähnliche Kiste zu bauen, die nicht zu breit war, mit einem Griff versehen und eine nicht allzu lange Strecke getragen werden konnte. Der besondere Pfiff dabei war, beide „Kofferteile“ einerseits gut öffnen und schließen zu können und andererseits für Unbefugte sogar verschlossen zu halten. Damit war die Urform des „Koffers“ angelegt.

Solch ein Koffer war immer noch recht schwer, bereits im leeren Zustand. Man probierte es mit Sperrholz. Das war schon besser. Dann folgte der Einsatz von verfestigter Pappe und Leder.

Irgendwann ließ sich ein Erfinder eine feste, aber leichte, flächige Masse als ‚Vulkan-Fiber‘ patentieren. Und heute, seit 1972, gibt es die Rollkoffer aus Kunststoff mit vier leichtlaufenden, lenkbaren Rollen und versenkbarem Tragebügel.

Den Gipfel der Koffergilde stellt der Schrankkoffer dar. Der hatte seine Blütezeit im 19. Jahrhundert, als die Dampfer aufkamen und man sich bequeme Schiffspassagen leisten wollte. Nur schlug sich kein Gutbetuchter mit diesen Trumms rum. Da brauchten sie den Dienstmann. Und diese Kabinenkoffer hatten es in sich: Fächer, Kleiderstangen und Bügel, alles vom Feinsten – und sauschwer.

All diese Koffer wurden früher bei der Bahn an einem Gepäckschalter auf dem Bahnhof abgegeben. Dann luden die Bahnangestellten die Koffer auf einen Kofferwagen, wie er im Lokschuppen Hochdahl zu sehen ist, und kümmerten sich darum, dass die Koffer in den richtigen Zug und dort in einen Gepäckwagen oder Packwagen zur Beförderung von Reisegepäck eingeladen wurden. Die Reisenden konnten sich ihre Koffer am Gepäckschalter des Ankunftsbahnhofs wieder abholen. Sie mussten sich während ihrer Reise nicht um das Gepäck kümmern. Was für einen Service es früher gegeben hat!

Koffer können viele Geschichten aus ihrem Leben erzählen! Lesen Sie mehr auf der Webseite des Eisenbahn- und Heimatmuseums Hochdahl-Erkrath: https://www.lokschuppen-hochdahl.de/wordpress/2018/06/29/ein-koffer-erzaehlt

Dr. Ralf Fellenberg, Eisenbahn- und Heimatmuseum Hochdahl-Erkrath



Doch nicht nur Handelsreisende, ihre Koffer und Werkzeuge reisten mit der Bahn. Auch der Transport der bis zu drei Tonnen schweren Schleifteine für die bergischen Kotten aus der Eifel stellte eine Herausforderung dar. Mehr dazu im nächsten Objekt des Monats.

Wetterfahne. Foto: Dr. Andreas Wallbrecht, Deutsches Werkzeugmuseum Remscheid

Wetterfahne

Juli 2023

Auch in Remscheid wurde und wird die bergische Kaffeetafel zelebriert und dafür die Dröppelmina benötigt – zuerst importiert und später vor Ort hergestellt. Doch der Schwerpunkt des Handels lag hier auf dem Werkzeug.

Es wurde so viel Werkzeug in die ganze Welt verhandelt, dass Remscheid den Beinamen „Seestadt auf dem Berge“ erhielt. Bereits um 1800 besaß in Remscheid mindestens das Handelshaus P.J. Diederichs und Söhne eine Flotte von rund zwanzig seefähigen Schiffen!

Hiermit wurden die Weltmeere befahren und Werkzeuge nach Afrika, Amerika oder Australien geliefert. Nur so war es möglich, die Nachfrage nach den hervorragenden Werkzeugen zu decken. Für deren Herstellung war die bergige Region perfekt, für diesen Handel nicht. Er war aber so bedeutend, dass die Stadt diesen Titel bekommen hat.

Hier einige Beispiele für die Ziele: Boston, Philadelphia, Baltimore, Havanna, Bahia, Afrika und Australien. In einigen Ländern wurden sogar Niederlassungen eingerichtet. Das Exporthaus Hasenclever: 1830 Rio de Janeiro, 1835 Buenos Aires, 1904 New York oder Robert Böker in Mexico Stadt (als eigenständige Firma).

Die Zulieferung erfolgte per Esel, Karren, Kutsche oder kleiner Boote über Wupper und Rhein, um dann in den Häfen der Nordsee auf die großen seefähigen Schiffe umgeladen zu werden. Die Wetterfahne zeugt von diesem regen Exporthandel der Remscheider Kaufleute im 19. Jahrhundert. Sie stammt von dem Kaufmannshaus Graber in Remscheid-Goldenberg.

Sie finden dieses besondere Objekt in der Handelsabteilung des Deutschen Werkzeugmuseums in Remscheid. Hier sehen Sie, welchen Aufwand die damaligen Händler getrieben haben, um die Werkzeuge in der ganzen Welt zu verkaufen – drei Wochen Schiffsreise beispielsweise nach Afrika, alle Musterstücke in großen Koffern dabei, dann im Land ohne Infrastruktur per Eisenbahn, Kutsche oder Auto zu den Kunden und so weiter und so weiter. Aber die Remscheider Händler und die Werkzeuge waren und sind auf der ganzen Welt vertreten.

Fotos und Text: Dr. Andreas Wallbrecht, Deutsches Werkzeugmuseum

Die Wetterfahne in der Ausstellung. Foto: Dr. Andreas Wallbrecht, Deutsches Werkzeugmuseum Remscheid
Die Wetterfahne in der Ausstellung. Foto: Dr. Andreas Wallbrecht, Deutsches Werkzeugmuseum Remscheid
Casa Böker. Foto: Dr. Andreas Wallbrecht, Deutsches Werkzeugmuseum Remscheid
Casa Böker. Foto: Dr. Andreas Wallbrecht, Deutsches Werkzeugmuseum Remscheid

Passend zu den Reisemonaten des Sommers beschäftigt sich unser nächstes Objekt des Monats noch etwas genauer mit dem wichtigsten Accessoire: dem Koffer. Jeder erzählt eine einzigartige Geschichte, von exotischen Reisezielen und unerwarteten Begegnungen bis hin zu unvergesslichen Momenten. Ein bergisches Museum kann darüber besonders viel berichten.

 

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Krahnenkannen aus Porzellan und Zinn, Niederbergisches Museum Wülfrath, Uli Erbach

Krahnenkannen aus Porzellan und Zinn, Niederbergisches Museum Wülfrath, Uli Erbach

Krahnenkanne aus Porzellan

Juni 2023

Auf den Leibgürtel für Frauen der Insel Enggano folgt die Krahnenkanne aus Porzellan als Objekt des Monats Juni. Beide Objekte thematisieren frühe Handelsbeziehungen. Sie fügen sich somit nahtlos in das Motto unseres Themenjahres 2023 „Alles in Verbindung“ ein.

Der Ursprung, den man der Krahnenkanne nachsagt, führt uns nach Japan. Es soll um das Jahr 1700 gewesen sein, als der Matrose Piet Griet aus den Niederlanden mit dem Handelsschiff in Japan anlegte.
Auf seinen Landgängen sah er das erste Mal eine „Krahnenkanne“ aus Porzellan. Er war begeistert und kaufte sie, um sie mit nach Hause zu nehmen. Doch wie es das Schicksal so wollte, zerbrach die Kanne auf dem Transportweg in vier Teile.
Der Matrose war von den Vorzügen seiner Kanne so überzeugt, dass er einen Zinngießer suchte und ihn auch fand. Dieser goss ihm mit Hilfe der vier verbliebenen Porzellanteile seine Kanne in Zinn nach.
Damit löste er einen wahren Exportschlager aus, der im Bergischen Land zu einer langjährigen Zinngießer-Tradition führte. Die Zinnkanne in barocker Form, liebevoll „Dröppelmina“ genannt, war in vielen Bergischen Haushalten zu finden. Sie zierte den festlich gedeckten Tisch zur Bergischen Kaffeetafel oder zum sonntäglichen „Koffendrenken“.

Bei den Bergischen Kaffeetafeln, die man heute im Niederbergischen Museum Wülfrath erleben kann, sind aktuell neun Dröppelminas in Gebrauch und live in Aktion zu erleben. In der Dauerausstellung werden 22 Krahnenkannen aus Zinn, Kupfer und Messing präsentiert.

Christa Hoffmann, Niederbergisches Museum Wülfrath

Der Kaffee nicht nur für den Matrosen Piet Griet musste importiert und somit auf dem Seeweg nach Europa und Deutschland gebracht werden. Erst nach einem langen beschwerlichen Weg konnte dieser dann in gehobenen Kreisen genossen werden. Auch andere Waren wurden schon sehr früh weltweit verhandelt, was das nächste Objekt des Monats symbolisieren wird. Es führte auch zu einem besonderen Namen für eine Stadt des Bergischen Landes. Seien Sie gespannt!