Mein Name ist Carolin Gilgenbach und ich bin wissenschaftliche Volontärin am LVR-Freilichtmuseum Lindlar. Ich arbeite im Fachbereich Ökologie und habe eine besondere Vorliebe für die Gärten, Wildkräuter, Äcker und alles was darauf krabbelt und leben kann in unserem Gelände. Als Agrarbiologin schätze ich die biologische Vielfalt, die wir im Museum versuchen zu bewahren.
Doch wie sah es wirklich früher in bergischen Gärten aus? Und waren sie diverser als heute?
Dafür habe ich ein ganz besonderes Objekt des Monats gewählt: den Garten aus Wuppertal-Ronsdorf. Der Hausgarten gehörte zum Bandweberhaus der Familie Thiemann und konnte durch eine Bestandsaufnahme vor Ort sowie Zeitzeuginnen- und Zeitzeugenberichte detailliert dokumentiert werden. So wurde der Garten entsprechend der Originalsituation zum Haus und in ursprünglicher Größe im Jahr 1991 im LVR-Freilichtmuseum Lindlar wiederaufgebaut. Insgesamt lässt sich der Garten von Familie Thiemann in drei Bereiche unterteilen: einen Gemüsegarten, eine Streuobstwiese und zahlreiche Zierelemente.
Im Gemüsegarten wird Kohl in unterschiedlichen Farben und Formen angebaut. Hier wuchs was Familie Thiemann zum Leben brauchte, darunter Weiß- und Rotkohl, Grün- und Rosenkohl sowie Blumenkohl und Kohlrabi. Ebenso unterschiedliche Bohnen, Möhren, Kartoffeln und Zwiebeln. In den Gemüsebeeten finden sich zusätzlich Beerenobstgehölze wie rote und schwarze Johannisbeere, welche diverse Insekten anlocken.
Die Streuobstwiese oder Obstbaumhof beinhaltet verschiedene alte Apfel- und Birnen- sowie einer Kirsch- und zwei Pflaumensorten, darunter die Hauszwetsche. Hier finden viele Pflanzen- und Tierarten ein Zuhause. Am Stamm der Bäume können Käfer, Holzwespen und Ameisen wohnen und in Baumhöhlen beispielsweise der Grünspecht. In den Baumkronen haben dagegen der Stieglitz und die Goldammer eine Möglichkeit zu brüten. Greifvögel wie Mäusebussard und Turmfalke haben die Möglichkeit sich dort abzusetzen für die Jagd.
Unter den Zierelementen sticht die alte Rose (Rosa centifolia = hunderblättrige) in Mitten der Gemüsebeete heraus, die von drei kleineren Kräuter- und einem Blumenbeet umringt ist. Alle Beete werden zusätzlich von Buchsbaum umrandet, was auf den bescheidenen Wohlstand der Familie während der Jahrhundertwende hinweist. Diese Elemente heben den Garten von anderen herkömmlichen Bauerngärten ab. Weitere Zierpflanzen sind Gänseblümchen, Schneeglöckchen und Narzissen.
Der gelb blühende Goldlack im Garten ist dagegen in NRW stark gefährdet und gilt laut der Roten Liste vom Jahr 2020 im Bergischen Land als verschollen. Ebenso sind die Pfirsichblättrige Glockenblume und die Berg-Flockenblume als nicht vorkommend bzw. keine gesicherten Nachweise im Bergischen Land gelistet, allerdings in ganz NRW nicht bedroht. Dennoch sind sie im Garten Thiemann im LVR-Freilichtmuseum vorhanden.
Goldlack lockt beispielsweise Wildbienen wie die Dunkelgrüne Schmalbiene (Lasioglossum morio) an. Diese zieht wiederum Blutbienen an, welche ihren Nachwuchs direkt in die Nester von Schmalbienen legen und so Brutfürsorge betreiben. Deshalb zählt man sie zu den sogenannten Kuckucksbienen. Die Pfirsichblättrige Glockenblume bietet Pollen für Wildbienen wie die Glockenblumen-Scherenbienen (Chelostoma rapunculi und Chelostoma campanularum) welche – wie der Name verrät – ausschließlich Glockenblumengewächse anfliegen. Die Berg-Flockenblume hält dagegen viel Nektar und Pollen für viele Fluginsekten bereit, unter anderem für mehrere Furchenbienenarten, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Der rekonstruierte Garten Thiemann kommt relativ nah an sein Original heran. Natürlich hat sich die Natur in dieser Zeit doch sehr gewandelt, auch ein ökologisches Museum bleibt nicht vom Insektenschwund und Klimawandel verschont. Aber wir können alte Pflanzensorten in Gärten wie diesen bewahren und einen kleinen Teil der Diversität und Vielfalt schützen. Das geben wir auch so an unsere Besucherinnen und Besucher weiter. Insgesamt bildet der Garten Thiemann aber einen diversen Hausgarten mit zahlreichen Blühpflanzen für kleine tierische Mitbewohner und einen vielseitigen Lebensraum insbesondere auch für bedrohte und spezialisierte Arten durch die vorhandene Streuobstwiese.
Carolin Gilgenbach, LVR-Freilichtmuseum Lindlar