Wenden eines halbfertigen Rundlings, 1920er Jahre. Carl Picard Natursteinwerk, Schopp-Krickenbach

Wenden eines halbfertigen Rundlings, 1920er Jahre. Carl Picard Natursteinwerk, Schopp-Krickenbach

Schleifsteine

September 2023

Ohne den Transport der Produktionsgüter mit der Bahn, von denen unsere letzten beiden Objekte des Monats berichteten, wäre eine weltweite Expansion der bergischen Werkzeugindustrie nicht möglich gewesen. Auch wenn der „Kiepenkerl“ zu Fuß die Kundschaft in der Region und dabei auch entlegene Orte erreichte und Pferdefuhrwerke lange eine Rolle spielten.

Die neuen Verkehrswege erleichterten den Absatz der vielfältigen bergischen Schmiedeerzeugnisse. Ebenso konnten die für die Produktion nötigen Rohstoffe und Erzeugnisse wie Kohle und Stahl zu den Werkstätten transportiert werden. Während sich das Automobil auf kürzeren Wegen durchsetzte, war die Eisenbahn für lange Strecken das maßgebliche, revolutionäre Transportmittel.

An den Schleifkotten im Bergischen Land schliff man früher an Schleifsteinen mit dem beachtlichen Durchmesser von bis zu drei Metern. Diese bis zu drei Tonnen schweren Kolosse wurde bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts aus Sandstein geschlagen.

Die Kohlfurther Firma Ernst Friedrich Tesche besaß Steinbrüche in der Eifel und in der Pfalz. Mit ihren Natursteinen versorgte sie die heimische Industrie, auch den Manuelskotten.

Mit dem Pferdefuhrwerk wurden die tonnenschweren Kolosse bis zur Mosel und von dort mit Lastkähnen auf dem Wasserwege nach Leverkusen-Hitdorf, dem Hafen für das Bergische Land, transportiert. Ab 1870 kam auch die Bahn zum Einsatz.

Mit der Eisenbahn konnten die Schleifsteine nun in großen Stückzahlen bequem herbeigeschafft werden.
Allein in Remscheid benötigte man um 1900 herum an die 2.000 Schleifsteine jährlich! Daher wurden ganze Güterzugladungen ins Bergische geliefert.

Am Zug wurden Rungen- oder Plateauwagen eingesetzt, die ein seitliches Überstehen der Ladung erlaubten. Die Spurbreite der Bahn definierte die Schleifsteine auf maximal drei Meter und vier Zentimeter. Am Manuelskotten wurden jedoch nur Steine mit einer Breite von zwei Metern und achtzig Zentimetern eingesetzt, da größere nicht durch die Tür passten.

Zur Ladungssicherung wurden Rundhölzer in die Achslöcher gesteckt, um ein Verrutschen der Ladung zu Vermeiden. Abgepolstert wurde die Ladung mit Tannenreisig, der auch während des Hängens der Steine genutzt wurde.
Der Transport zu den Bahnhöfen und zu den Werkstätten geschah zunächst mit Pferdefuhrwerken, später dann mit kleineren Lastwagen.

Auch wenn Sandsteine aus gesundheitlichen Gründen schon in den 1930er Jahren verboten wurden, wurden diese bis in die 1970er Jahren noch waggonweise mit der Bahn angeliefert.

Die heute genutzten Kunststeine besitzen – im Vergleich zu den Sandsteinen – eine gut fünfmal höhere Schleifkraft. Außerdem lassen sich Form und Zusammensetzung für den jeweiligen Anwendungsbereich individuell anpassen. An den neueren Schleifmaschinen werden zunehmend kleinere Steine und Schleifbänder eingesetzt. Somit spielt der Einsatz von Sandsteinen inzwischen keine Rolle mehr.

Die Kohlfurther Firma Tesche spezialisierte sich ab den 1930er Jahren auf die Herstellung von Kunststeinen. Seit 2006 gehört die Firma Tesche zur Wuppertaler Clauberg Gruppe, die nach wie vor die Steine für den Manuelskotten liefert – eine Lieferstrecke von nicht einmal zehn Kilometer.

Heute dienen alte, abgenutzte Sandsteine noch am Teich und Bachlauf des Manuelskottens als Befestigungsmaterial und Hochwasserschutz. In der Werkstatt können Sie die großen, von Wasserkraft angetriebenen Schleifsteine in Aktion sehen.

Georg Jürgens, www.manuelskotten.de

Ein historischer Film von 1971 zeigt die Schleifsteinherstellung und den Transport in das Bergische Land, zu finden auf dem Youtube-Kanale von „Alltagskulturen im Rheinland“: Herstellen eines Schleifsteins in der Sandsteingrube Chr. Hort – YouTube.


Nicht nur am Manuelskotten spielte und spielt das Wasser des Teiches und die genutzte Wasserkraft eine große Rolle. Über den Umgang mit dieser Naturgewalt erzählt unser nächstes Objekt des Monats.