Die Schulbank hängt im Treppenhaus des Museums

Die Schulbank im Treppenhaus des Museums. Foto Schulmuseum Bergisch Gladbach

#GenauGeschaut 8: Schulbankgeflüster

Februar 2025

Hier stehe ich, unscheinbar im Treppenhaus des Schulmuseums Bergisch Gladbach. Mein halbes Ich, könnte man sagen – nur der obere Teil von mir hat die Zeit überdauert. Vielleicht wirken meine abgewetzten Holzplanken und mein alter Charme auf den ersten Blick wenig beeindruckend. Auch meine Architektur ist nichts Besonderes. Aber täuschen Sie sich nicht: Ich bin mehr als ein Möbelstück. Ich bin eine Bühne, eine Leinwand, ein stummer Zeuge all der kleinen Abenteuer, die sich im Schatten der Schulstunden abgespielt haben.

Sehen Sie genauer hin, und ich erzähle Ihnen Geschichten. Die eingeritzten Initialen? Ein heimlicher Schwur ewiger Freundschaft. Die Karikaturen? Vielleicht ein verzweifelter Versuch, die Lehrerin in ein Kunstwerk zu verwandeln. Und diese vielen Tintenkleckse? Ein Unfall, der einem Schüler damals sicher wie eine Katastrophe vorkam.

Doch nicht nur die Ritzen, Kratzer und Flecken erzählen von Ablenkung und Einfallsreichtum. Wie oft wurde ich wohl zur Festung für heimliche Botschaften, die zwischen Schülern weitergereicht wurden? Oder als getarnter Spicker für eine bevorstehende Klassenarbeit? Sogar der Kaugummi, hastig unter meine Platte geklebt, ist ein kleiner Beweis für die Kreativität, mit der meine Besitzer den Unterricht überstanden haben.

Detailaufnahme der Schulbank
Detail der Schulbank. Foto Schulmuseum Bergisch Gladbach

Natürlich war ich auch der Ort, an dem gelernt, geschrieben und geträumt wurde. Doch während die Schulbänke im historisch eingerichteten Klassenraum des Museums zeigen, wie diszipliniert das Lernen einst war, will ich auf etwas anderes hinweisen: das Leben, das sich zwischen den Buchstaben und Zahlen abspielte.

Ein Blick in die Entwicklung der Schulbänke

Schulbänke wie ich sind ein Relikt aus einer Zeit, in der Effizienz und Ordnung im Klassenzimmer großgeschrieben wurden. Stühle und Bänke waren mit dem Tisch unverrückbar verbunden; eine Einheit, die Stabilität und Disziplin symbolisierte. Die Tischplatte war meist hochklappbar, sodass darunter Hefte und Bücher ihren Platz fanden. Typisch war auch die kleine Halterung für ein Tintenfass – ein Detail, das an die Zeit erinnert, als Schreiben noch eine echte Kunst war.

Ein besonders innovatives Modell war die sogenannte Rettig-Bank, die 1893 von Wilhelm Rettig, einem Architekten und Konstrukteur, entwickelt und patentiert wurde. Sie stand für eine neue, durchdachte Funktionalität und prägte Generationen von Schulklassen.

Doch wie alles in der Geschichte hat sich auch die Schulbank weiterentwickelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwanden diese kompakten Einheiten aus deutschen Schulen. Sie wurden durch separate Tische und Stühle ersetzt – flexibler, individueller, moderner.

Dominik Olbrisch betrachtet die Details im Holz der Schulbank
Dominik Olbrisch an der Schulbank. Foto: Schulmuseum Bergisch Gladbach

Also bleiben Sie einen Moment stehen, lassen Sie Ihre Finger über meine Oberfläche gleiten und fragen Sie sich: Was hätten Sie hier verewigt? Initialen? Ein Herz? Oder vielleicht einen besonders frechen Spruch?

Ich bin mehr als eine Bank. Ich bin das Archiv all der kleinen Geheimnisse, Ablenkungen und Momente, die Schule zu einer unvergesslichen Zeit machen. Schauen Sie genauer hin – ich trage Geschichten in mir, vielleicht auch Ihre.


Dominik Olbrisch, Museumsleiter Schulmuseum Bergisch Gladbach – Sammlung Cüppers